Anregungen aus Hospitationen

Aus Hospitationen und Unterrichtsbeobachtungen von Dr. Martin Löschmann

Hier geht es um didaktisch-methodische Anregungen, die sich aus Hospitationen ergaben. Sie sollen der Verbesserung des Qualitätsmanagements am IIK dienen. In meiner Eigenschaft als Berater habe ich im Laufe der Zeit zahlreiche Hospitationen in den verschiedenen Integrationskursen durchgeführt und denke, dass bestimmte Verallgemeinerungen aus den Beobachtungen, Feststellungen und Auswertungen getroffen werden können.

Sie sind hier stichpunktartig alphabetisch geordnet.

Vielleicht kann ja der eine oder der andere Kurztext als Impuls zur Selbstreflexion anregen.

Nehmen Sie die jeweilige Eintragung als eine Art Wochenabrisskalender. Es gilt: In der Kürze liegt die Würze.

Inhaltsverzeichnis

Aktualisierungen

Begrenzte Mehrsprachigkeit

Differenzierung in der Wortschatzarbeit: Amt und Behörde

Die Gelegenheit beim Schopfe packen

Die zehn bevorzugten Wörter von Camus oder emotionale Wortschatzarbeit

Die Übung haben wir schon gemacht

Diktat

Dokumentenkamera

Duzen und Siezen

Ein Ball im Unterricht

Ein gelungener Einstieg ist die halbe Miete


Elfchen und Haiku

Flipped Classroom

Fokussieren

Hausaufgaben

Humor

Immanente Wiederholung

Integrativer DaZ-Unterricht 

Integrative Motivation

Konjugation mit Genderblick

Lehrersprache

Lernen mit Karteikarten

Macht des guten Beispiels

Methodenvielfalt

Methodenwechsel

Motivation

Mut zur Leerstelle

Ordnung ist das halbe Leben

Reduktionsübungen

Rituale

Scaffolding

Scheinbar und anscheinend als Antonyme?

Schemadissonanz

Selbstevaluation

Spiegelschrift

Storytelling

Systematisierung

Tafelschrieb/Tafelanschrieb

Überflüssige Fragen

Übung macht den Meister

Übungsfrequenzen

Unterrichtseinheiten

Unterrichtsvorbereitung

Von der Abnutzung: Entschuldigung

Von der Dokumentenkamera zum Padlet


Wahnsinnig interessant

Weil ich habe keine Zeit

Welches Wort passt nicht?


Wiederholung

Wortbildung


Zahlen, Zählen und Rechnen

Zielangaben

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Aktualisierungen am Beispiel von „Lesen durch Schreiben“

Kaum ist ein Lehrbuch erschienen, ist es schon veraltet. Sicherlich eine pointenreiche Übertreibung, aber etwas ist schon dran. Was da veraltet, ist wohl weniger die Sprache, auch nicht die didaktisch-methodische Gestaltung, wenngleich man gerade bei Letzterem Überraschungen erleben kann. Die Methode „Lesen durch Schreiben“ lange Zeit auch im Alpha-Unterricht bemüht und angewendet, ist in letzter Zeit durch neuere Untersuchungen in die Kritik geraten. Nein, es sind eher bestimmte Inhalte, die relativ schnell veralten können, bzw. sie können durch aktuelle Beispiele belegt und damit den Unterricht beleben.

Selbiges war in einer Unterrichtsstunde im Rahmen des Orientierungskurses zu beobachten. Es ging um den Ausdruck Weil du arm bist, musst du früher sterben.

Der Dozent belegt zunächst anhand von Untersuchungen aus England, dass Menschen mit geringer Bildung und niedrigem Einkommen ein höheres Risiko haben, an Covid-19 zu erkranken.

Zu dem gleichen Ergebnis kommt auch eine Studie für Deutschland. Demnach liegt das Risiko für ALG-II-Empfänger im Vergleich zu erwerbstätig Versicherten um 84,1 Prozent höher, für ALG-I-Empfänger um 17,5 Prozent. (ALG-Arbeitslosengeld; vgl. auch https://t1p.de/2kl4 und in der Tagesschau vom 15.06.2020  https://t1p.de/cyyw)

Nachtrag: Der Schreiber kannte mal einen Dozenten, der für jede Lektion seines Deutschlehrbuches mehrere Aktualisierungen parat hatte.

Begrenzte Mehrsprachigkeit in der Lerngruppe muss kein Nachteil sein

Was ist nicht schon über die Mehrsprachigkeit in Sprachlerngruppen (hier verstanden als das Vertretersein von mehreren Muttersprachen) geklagt worden. Man könne in Gruppen, in denen Mehrsprachigkeit herrscht, die entsprechende Mutter- bzw. Mittlersprache nicht einsetzen. Strikte Einsprachigkeit sei deshalb geboten, was mit Recht heute als Nachteil gesehen wird.

Gewiss kann sich Mehrsprachigkeit im Gruppenverband negativ auf den Spracherwerb auswirken. Wer wollte das bezweifeln. Hat man in der Gruppe 4, 5, 6 oder noch mehr Mutter- bzw. Mittlersprachen vertreten, kann in der Gruppe schon Leerlauf dadurch entstehen, dass der Bezug auf weniger bekannte Sprachen z.B. als abwegig und damit als wenig lernunterstützend empfunden wird. Dies mag im Einzelfall durchaus zutreffen, aber in toto bringt Mehrsprachigkeit doch oft Belebung, Motivierung des Fremdsprachen- bzw. Zweitsprachenerwerbs mit sich. Man muss nur die jeweilige Sprache geschickt, d.h. lernfördernd einzusetzen verstehen. So erlebte ich, das in einer Gruppe der Wolf Englisch wolf, übertragen/übersetzt wurde in byk, волк/volk und davon abgesetzt Chinesisch 狼 láng.

In jedem Fall wurden kontrastive Vergleiche angestellt.

Freilich muss ins Kalkül gezogen werden, dass die einzelne Lehrerin bzw. der jeweilige Lehrer nur über eine begrenzte Zahl von Sprachen verfügt bzw. sich einen strukturellen Überblick über einige Sprachen verschafft hat oder sie/er bemüht ist, sich mit den in der Gruppe versammelten Mutter- bzw. Mittlersprachen vertraut zu machen.

Dass über den Respekt gegenüber der jeweiligen Muttersprache eine lernmotivierende Wertschätzung der Lernenden erfolgt, liegt auf der Hand. Die jeweils mitgebrachten Sprachkenntnisse und seien es nur einzelne Strukturen bzw. lexikalische Bezugspunkte unterstützen die Entwicklung des Sprachbewusstseins, die Einsicht in Struktur und Bau der zu lernenden Sprache. Echtes entdeckendes Lernen wird auf diese Weise möglich.



Differenzierung in der Wortschatzarbeit am Bespiel Amt und Behörde

Da kann man schon ins Grübeln kommen: In einer hospitierten Stunde wird von einer Teilnehmerin nach dem Unterschied von Amt u. Behörde gefragt. Richtige Antwort: Es gibt eigentlich keinen. Basta.

Aber welche Ämter, welche Behörden müssen unsere Lernenden denn eigentlich kennen? Da ist Wortschatzarbeit gefragt, integrative Wortschatzarbeit, d.h. die Begriffe, eingebettet in und für den Kommunikationsalltag, eine Zusammenstellung von Behörden, der Ämter erforderlich, mit denen unsere Lernenden zu tun haben: BAMF, Bürgeramt, Einwohnermeldeamt, Standesamt, Schulamt, Gesundheitsamt, Wohnungsamt, Ausländerbehörde, aber: Jobcenter, Arbeitsagentur – welche noch? Alle, die Ihre Lernenden noch beibringen! Und alle üben, üben und nochmals üben.

Die Gelegenheit beim Schopfe fassen

Viele Male an diesem Vierzeiler auf Usedom vorbeigekommen, genauer: vorbeigeradelt, bis es jetzt beim letzten Besuch klingelte und das Handy gezückt wurde.

Ein doch auch in unserem Unterricht wichtiges Thema wird berührt. Der Vierzeiler ist sogar in Alphakursen einsetzbar. Geeignet schon als Leseübung, Einstieg zum vielgestaltigen Thema Klimawandel, zur Wortschatzarbeit, Wiederholung, zum Auswendiglernen oder zur Präsentation, zum Vortragen, als Anregung zum kreativen Lernen, indem der Text variiert oder gar neue ähnliche Vierzeiler produziert werden. Es muss nicht immer das vielerorts empfohlene ‚Elfchen‘ sein, das zudem in der Struktur viel komplizierter ist.

Schwenk und Frage zu der beim Schopfe zu fassenden Gelegenheit:

Könnte es sein, dass die eine oder andere Lehrkraft eine Gelegenheit nicht beim Schopfe gepackt und den Besuch eines Gastes in ihrer Gruppe, eine Praktikantin/einen Praktikanten, eine Hospitantin/einen Hospitanten des IIK oder gar des BAMF nicht in ihrem und für ihren Unterricht genutzt hat?

Die zehn bevorzugten Wörter von Camus oder emotionale Wortschatzarbeit

Vor Kurzem wurden im Deutschlandfunk die zehn bevorzugten Wörter von Albert Camus zitiert, die in seinen „Tagebüchern 1951-1958“ notiert sind. Sein Name ist ja gerade wieder ins Gespräch gekommen, weil verschiedene Medien den Roman des Nobelpreisträgers Die Pest in Corona-Zeiten ausgegraben haben.

Camus benennt als seine wichtigsten Wörter: die Welt, der Schmerz, die Erde, die Mutter, die Menschen, die Wüste, die Ehre, das Elend, der Sommer, das Meer.

Und mir fiel noch beim Hören die hospitierte Unterrichtsstunde ein, in der nach den Lieblingswörtern der Lernenden gefragt wurde. 10 Wörter waren aufzuschreiben, die dann verglichen und dabei festgestellt wurde, wo es Übereinstimmungen gab. Wörter, die nur einmal vorkamen, erhielten insofern besondere Wertschätzung, als die Schreiberin/der Schreiber gebeten wurde, sie zu erklären.

Man könnte den Erfragungsbereich erweitern, indem man fragt, was nach Meinung der Lernenden die wichtigsten Wörter in Deutschland sind, ganz schwer, nach Wörtern, die es nur in Deutschland gibt (Abendbrot, Brückentag …), nach aktuellen Wörtern (Corona-Krise, Abstand halten) nach Wörtern, die am häufigsten falsch geschrieben werden (darunter: E-Mail, annullieren, piksen, diffizil) – alles Übungen, die den Aufbau des mentalen Lexikons unterstützen können, das Gedächtnis trainieren.

Hier arbeitet die Lehrerin überzeugend mit zwei kommunikativ orientierten Beispielen im Frage- u. Antwortspiel, das offensichtlich nicht aus dem Lehrbuch stammt.

1) Raten Sie mal. Wo werde ich wohl studiert haben?

2) Was wird in 30 Jahren alles passiert sein?

Die Übung haben wir schon gemacht!

Den Satz hat fast jeder Lehrende schon mal von Lernenden gehört. Unsere Lernenden sind stolz, dass sie sich erinnern und den Tatbestand vermelden können. So weit, so gut. Doch es gibt in der Regel gute Gründe, eine Übung ein weiteres oder gar ein drittes Mal aufzurufen, denn entscheidend ist ja, ob der beabsichtigte Übungserfolg eingetreten ist. „Gemacht“ heißt lange noch nicht „beherrscht“, und zwar so beherrscht, dass man auf dem Gelernten aufbauen kann. Nun wäre es bestimmt abwegig, wenn man meinte, allein die bloße Wiederholung würde dann den Übungserfolg sichern. Wofür hier plädiert wird, sind dagegen Übungsvarianten, bestenfalls auf die Gruppe, auf die Gruppensituation bezogene. Abgesehen davon, dass gruppenbezogene Übungsvarianten zudem ein geeignetes didaktisch-methodisches Mittel sein können, das Übungsangebot seitens des Lehrbuchs zu erweitern.

Diktat

Es gab eine Zeit vor unserer Zeit (bei Spielberg allerdings; „Es gab ein Land vor unserer Zeit“), in der das Diktat in der Fremdsprachendidaktik nur mit einem Naserümpfen ausgesprochen wurde. Es hat sich aber herausgestellt, dass das Diktat seine Funktion bis in die oberen Ränge hat.

In Hospitationen beobachtet:

Auch in einer B2-Gruppe fügt sich ein Diktat in den Unterrichtslauf gut ein. Es wird eine kurze Zusammenfassung, die mündlich erarbeitet worden ist, als Zwischenergebnis diktiert und auf deren Grundlage dann weiter diskutiert.

In einer anderen Gruppe wird das Diktat „Frau Königs im Altenheim“ über die interaktive Tafel aufgerufen. Während des Diktats – gewissermaßen vom „Band“ – nutzte der Lehrende die Zeit, seine Lernenden zu beobachten und hier und da helfend einzugreifen. Weil das Resultat nicht berauschend war, wurde der Text verkürzt und vom Lehrer variiert und ein zweites Mal diktiert.

Dokumentenkamera

Gruppenarbeit ist angesagt.

Erstaunlich, wie schnell und reibungslos die Gruppenarbeitsergebnisse mit Hilfe der Dokumentenkamera auf dem Smartboard abgebildet werden können. Freilich ohne interaktive Tafel funktioniert sie nicht. Mit 2, 3 Handgriffen ist sie angeschlossen, die Scharfeinstellung erfolgt automatisch. Und das Gute ist, man kann seine bewährten Folien durchaus auch weiter benutzen. Sie brauchen die Arbeitsergebnisse nicht mehr auf Folien zu kopieren, sondern sie können das Material sofort projizieren. Somit spart man Papier, Toner, Folien, Folienstifte und natürlich Zeit.

Was für ein Fortschritt vom Episkop über den OHP zur Dokumentenkamera.

Duzen und Siezen

Man kommt nicht drum herum festzustellen, dass das Duzen zu- und das Siezen im Sprachgebrauch abnimmt, besonders im Netz setzt sich die du-Form durch. Im Vergleich zum 18. Jahrhundert haben wir es ja schon mit einer Reduzierung auf die heute existierende binäre Struktur zu tun. Ich meine den Ersatz der dritten Person Singular – Er-/Sie-Form und die Ihr-Form großgeschrieben – in: Wer ist Er / Sie? / Wer seid Ihr?

Sosehr sich nun die binäre Struktur du versus Sie weiter reduzieren mag, sowenig darf jedoch übersehen werden, dass es Kommunikationsbereiche gibt, in denen auf das Sie nicht verzichtet wird und vorerst nicht verzichtet werden kann, im Gesundheitswesen (Thema Beim Arzt), bei Ämtern und Behörden. Auch in vielen Unternehmen gilt immer noch die Sie-Form. Eine Festschreibung wie die folgende zeigt das: Wenn ein Kollege nicht geduzt werden möchte, kann das Unternehmen verpflichtet sein, andere Arbeitnehmer anzuweisen, das Duzen des Kollegen zu unterlassen.

Weil es so ist, wie es ist, sollte in unseren Gruppen im Rahmen der authentischen Kommunikation – Lehrkraft und Kursteilnehmende, Kursteilnehmende und Sachbearbeiter*innen – das binäre System der Anrede zur Anwendung kommen. Es sollte sich herumgesprochen haben, dass in neuanfangenden Gruppen das Sie am IIK Berlin gesetzt ist. Später, wenn man mit der Gruppe einen gewichtigen Teil des Unterrichts hinter sich hat und beide Formen adressatengerecht verwendet werden, kann man durchaus zur Du-Form in der Unterrichtskommunikation übergehen, ohne allerdings die Sie-Form zu vernachlässigen.

Wer aber schon möglichst von Anfang an eine vertrautere Atmosphäre auch mittels der Anrede schaffen will, kann ja mit einer Art Zwischenform beginnen, die zunehmend bei der asymmetrischen Kommunikation zwischen Jugendlichen und Lehrerenden, Mitarbeitern und Vorgesetzen zu beobachten ist, nämlich die Nennung des Vornamens + Sie-Form: Clara, darf ich Sie bitten, Ihre Entschuldigung vorzulesen.

In manch einer Gruppe wird der Ball eingesetzt. Er kann, wie fast alle Lehrkräfte auch wissen, den Unterricht beleben, die Lernenden aktivieren, er dürfte in keinem Gruppenzimmer fehlen.

Ein einfaches gelungenes Beispiel zur Wortschatzarbeit, das ich in einer hospitierten Stunde gesehen habe: Antonyme/Gegensatzpaare werden geübt. Die Gruppe sitzt im Kreis. Ein/e Spieler/in beginnt, indem sie ein Adjektiv nennt. Gleichzeitig wirft er/sie den Ball zu einem/einer Mitspielerin, der/die das entsprechende Antonym finden und aussprechen muss. Er oder sie muss sich ein neues Adjektiv ausdenken und wirft den Ball…

Ein Ball im Unterricht

In manch einer Gruppe wird der Ball eingesetzt. Er kann, wie fast alle Lehrkräfte auch wissen, den Unterricht beleben, die Lernenden aktivieren, er dürfte  eigentlich in keinem Gruppenzimmer fehlen. Ein einfaches gelungenes Beispiel zur Wortschatzarbeit, das ich in einer hospitierten Stunde gesehen habe: Antonyme/Gegensatzpaare werden geübt. Die Gruppe sitzt im Kreis. Ein/e Spieler/in beginnt, indem sie ein Adjektiv nennt. Gleichzeitig wirft er/sie den Ball zu einem/einer Mitspielerin, der/die das entsprechende Antonym finden und aussprechen muss. Er oder sie muss sich ein neues Adjektiv ausdenken und wirft den Ball…

Ein gelungener Einstieg ist die halbe Miete

Einstiege in Deutschlehrbüchern – mehr oder minder gelungen – sind die eine Sache, Einstiege in die jeweiligen Unterrichtseinheiten eine andere.

Dass man gruppenspezifische, situationsbedingte Einstiege braucht, ist unbestritten, aber wie man sie abwechslungsreich und zwingend gestaltet, bleibt eine ständige Aufgabe, deren Lösung Kreativität erfordert. Wenn man zwingende Einstiege für einzelne UE gestalten will, sind ihre Funktionen zu beachten. Wie also sollen sie sein:

  • informierend (um zu klären, was bearbeitet werden soll)
  • motivierend (damit das Interesse der Lernenden geweckt wird)
  • orientierend (indem sie Hinweise und zielführende Orientierungspunkte geben)
  • fokussierend (weil die Aufmerksamkeit auf den Lerngegenstand gelenkt wird)
  • begründend (wenn mitgeteilt wird, wozu etwas gelernt werden soll).

Ein gutes Beispiel lieferte eine hospitierte Stunde, in der die Textsorte „Entschuldigung“ mit einer authentischen Entschuldigung von einem Lernenden aus der Gruppe eingeführt wurde und überzeugend die genannten Funktionen erfüllte, überdies noch problematisierend insofern, als auf eine Fehlstelle in dieser Entschuldigung hingewiesen wurde.

Zur Exemplifizierung könnte auch der Vierzeiler im Beitrag „Die Gelegenheit beim Schopfe packen“ dienen.

Die Vielfalt von Einstiegen ist unbegrenzt, man sollte sich dabei nicht versteigen. Wer sich weiter anregen lassen möchte, könnte ja mal in das Büchlein hineinschauen, das vom Cornelsen-Verlag (allerdings für die Schule) unter dem Titel „Unterrichtseinstiege DaZ/DaF“ herausgebracht worden ist.

Flipped Classroom

„Sie schreiben in Ihren Anregungen, man könne, ja solle Hausaufgaben auch zur Vorbereitung des Unterrichts nutzen. Wollen Sie sich mit dieser Empfehlung als Anhänger des Flipped Classroom Konzepts, das ja derzeit in vieler Munde ist, präsentieren?“

Ehrlich gesagt, habe ich bisher diesen Zusammenhang gar nicht gesehen, aber den Grundgedanken des Konzepts kann man nur unterstützen, geht es doch dabei darum, sich gezielt und angeleitet zu Hause auf den Unterricht vorzubereiten. Im Unterricht selbst werden dann Fragen geklärt, vertiefende, weiterführende Aufgaben und Übungen bearbeitet. So etwas lässt sich im DaZ-Unterricht natürlich nicht durchgängig realisieren, aber bestimmte Themen lassen sich im  Sprachunterricht schon gut zu Hause vorbereiten. (Als diese Zeilen geschrieben wurden, war Corona noch nicht in Sicht!)

Wenn es klappen soll, muss die entsprechende Aufgabe eindeutig formuliert sein. Zudem bedarf es einer bestimmten ‚Hausaufgabenkultur‘. Als Lehrende muss man sich darauf verlassen können, dass die entsprechende Hausaufgabe auch erledigt wird. Wie sich gerade neulich herausgestellt hat, kann es passieren, dass eine den Unterricht vorbereitende Hausaufgabe vom Großteil der Lernenden nicht erfüllt worden ist, in diesem Fall sollte ein Bericht über eine Reise gegeben werden. Was tun? Auf jeden Fall muss die Lehrkraft immer mit einem solchen Fall rechnen und sich darauf vorbereiten. Man braucht einen Plan B.

Fokussieren

z. B. auf brauchen und gebrauchen

Zu der beobachteten Unterrichtsituation steht in meinen Notizen: fehlerhafter Gebrauch von brauchen und gebrauchen. Logisch, dass die Notwendigkeit der Differenzierung dieser Wörter akut wirdZwei sinnfällige Beispiele werden an der Tafel gezeigt und die beiden Verben isoliert. Es wird nach Auffälligkeiten gefragt. Die meisten Lernenden sehen den Unterschied. Folgerichtig wird nun an den Bedeutungsunterschieden gearbeitet. Dazu erscheint an der Tafel ein Dialog, in dem Beispiele für brauchen und gebrauchen enthalten sind. Je 2 Beispiele mit den beiden Verben werden verschiedenfarbig unterlegt, dann analysiert und gemeinsam semantisch erschlossen. Fazit: gebrauchen im Sinne von benutzen/verwenden, brauchen im Sinne von benötigen. Danach wird die Syntax beider Verben näher bestimmt. Dabei wird das Thema gewechselt. Es werden Sätze aus dem EU-Bereich gewählt:

EU-Bürger brauchen normalerweise an der Grenze keinen Pass zu zeigen. Sie müssen sich nur ausweisen können.

Dennoch gebrauchen sie manchmal noch ihren Pass, wenn sie in ein EU-Land reisen.

Als ich bei der Besprechung der Stunde von der gekonnten Anwendung der Methode des Fokussierens spreche, wird bescheiden abgewehrt: Ich habe doch bloß versucht, die Aufmerksamkeit der Lernenden zu richten. Richtig, aber wie Sie es gemacht haben, ist dabei entscheidend: situativer Kontext, Betonung des Funktionalen, gezielte Fragen, freies, erst einmal ungelenktes Beobachten, Unterstreichungen, eigene Abstraktionen, gewiss alles mehr oder weniger bekannt, aber ein didaktisch-methodisches Arrangement, dass Wahrnehmungen der Lernenden nicht gängelt, nicht dirigiert, so dass es kaum zu Blockaden bei den Lernenden kam. In guten Gruppen lässt sich sogar die aus dem Muttersprachunterricht sattsam bekannte spitzfindige Regel nennen: Wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen überhaupt nicht zu gebrauchen.

Hausaufgaben

Hausaufgaben sind von alters her fester Bestandteil des Unterrichts, die meisten Gruppenbücher bei uns weisen das auch aus. Normalerweise werden Hausaufgaben nachbereitend eingesetzt, die Übungen und Aufgaben sind so gestaltet, dass sie gewissermaßen als Fortsetzung des Unterrichts fungieren, was nicht in jedem Fall besonders motivierend ist. Der neu vermittelte Lernstoff wird zu Hause weiter geübt, vertieft, bestenfalls zur Anwendung in neuen Kommunikationssituationen geführt.

Doch können, ja sollten Hausaufgaben, wie eine Hospitation gezeigt hat, auch unterrichtsvorbereitend eingesetzt werden. Lernende bereiten sich auf Kommendes vor, z.B. auf die Vorstellung der eigenen Familie in Vorbereitung auf das Thema Verwandtschaftsbeziehungen. Auf diese Weise wird für den kommenden Unterricht eine lernfördernde Erwartungshaltung erzeugt und obendrein die Entwicklung der Selbstständigkeit weiter gefördert.

Humor

ist, wenn man trotzdem lacht, heißt es nicht bei Wilhelm Busch, wie oft angenommen, sondern bei Otto Julius Birnbaum, auch einem Dichter.

Bestimmt gibt es für Sie und uns alle in Corona-Zeiten wenig zu lachen. Dennoch kann ich nicht umhin dafür zu plädieren, sich den Humor nicht ganz nehmen zu lassen und bei den Vorbereitungen auf den irgendwann wiedereinsetzenden DaF-und DaZ-Unterricht den Spaß nicht zu vergessen.

Bei vielen meiner Hospitationen habe ich gedacht, es hätte hier und da etwas humoriger zugehen können. Situationshumor war schon häufiger da, aber es könnten/sollten/müssten auch mehr humorige Texte eingesetzt werden, humorvolle Antworten auf Fragen, Witze u.a. Humorsammlungen gibt es im Internet in Hülle und Fülle. Freilich findet sich darin viel Abwegiges, und man muss auswählen, um Passendes für die eigene Humorsammlung zu finden.

Ich jedenfalls habe in mein Humor-Kompendium etwas Aktuelles aufgenommen.

Während der Corona-Zeit wurde der Epidemiologe Prof. Alexander Kekulé in einem „Morning Briefing Podcast“ gefragt, wie es sich in Corona-Zeiten mit der Erotik verhalte oder verhalten sollte. Seine prompte Antwort: "Umarme nur denjenigen, mit dem du Viren austauschen willst."

Immanente Wiederholung

Lange nicht eine so wohldosierte immanente Wiederholung gesehen, ja erlebt. Es werden Wörter zum Thema Erfahrungen zusammengetragen, um später über ihre/seine Erfahrungen sprechen zu können. Eine Lernerin stellt eine Frage zum Futur, offensichtlich wollte sie ihre Entschlossenheit, ihre Hoffnung zum Ausdruck bringen:

Ich werde bestimmt noch Erfahrungen sammeln.

Die Lehrerin nimmt die Frage zum Anlass, nicht nur die Funktion des Futurs im Deutschen zu wiederholen, sondern auch die Konjugation von werden zu üben.

Wichtig scheint ihr dabei zu sein, nicht das Hauptthema der Stunde aus dem Auge zu verlieren. Die Wiederholung ist kurz und bündig, aber zielführend.

Immanente Wiederholung ist ein Prinzip des Unterrichts, aber da der Sprachunterricht besonders übungsintensiv ist, spielt sie im Fremdsprachenunterricht eine herausragende Rolle.

Integrativer DaZ-Unterricht – Was ist denn das?

Wenn ich bei der Auswertung nach Hospitationen von integrativem Unterricht spreche, kann es schon passieren, dass es Missverständnisse gibt, wenn die Gesprächspartnerin / Gesprächspartner naheliegenderweise den Begriff auf unseren Integrationsunterricht für Migranten und Migrantinnen bezieht. In meinem Kontext jedoch ist ein didaktisch-methodisches Vorgehen im DaF- und DaZ-Unterricht gemeint, das ich vor Jahrzehnten bereits in meinem Buch „Effiziente Wortschatzarbeit. Alte und neue Wege“ (Frankfurt: Peter Lang, 1993) begründet und beschrieben habe.

Mit integrativem DaZ- oder DaF-Unterricht wird die konsequente funktionale Einbettung /Eingliederung / Einübung / Integration von Sprachmitteln in kommunikative Zusammenhänge / Kontexte / Texte verstanden, ganz gleich, ob es sich um Wortschatz, Grammatik, Prosodie u.a.m. handelt.

Wenn beispielweise die Modi Aktiv versus Passiv zu behandeln sind, wird das Passiv nicht als einfache Transformation eingeführt (nach der Devise: Der Vater / Die Mutter liest die Zeitung.→ Die Zeitung wird von der Mutter gelesen.), sondern in kommunikativ bedingten Kontexten: RezepteReparaturanleitungen, Gebrauchsanweisungen, Versuchsbeschreibungen, Verwaltungstexten u.a.m.

Freilich müssen die Formalia der Passivbildung, auch die allgemeine Funktionsbestimmung, nämlich dass Handelnde unbenannt bleiben, isoliert erarbeitet werden, nie aber ohne den Funktionszusammenhang, die Kontexte, die entsprechenden Texte aus dem Auge zu verlieren.

Das übergeordnete integrative Konzept ist nicht eindimensional zu verstehen, vielmehr weist es ein Bündel von Merkmalen auf, wie funktional, kommunikativ, handlungsorientiert, induktiv, integrativ motiviert. Entscheidend für ein integratives Vorgehen in jedwedem Unterricht ist, den Wechsel von der Sprach- auf die Inhaltsebene angemessen zu methodisieren.

(Vgl. auch Einecke, Günther: INTEGRATIVER DEUTSCHUNTERRICHT. In: Rothstein, Björn; Müller, Claudia (Hg.): Kernbegriffe der Sprachdidaktik Deutsch. Ein Handbuch. Baltmannsweiler: Schneider Verlag 2013, S. 167-170.)

Integrative Motivation

Beim Eintrag „Integrativer DaZ-Unterricht – Was ist denn das?“ hat doch jemand bemerkt, dass am Ende des Beitrages bei der Merkmalsbeschreibung des integrativen Sprachunterrichts von „integrativ motiviert“ die Rede ist.

Man kennt die Einteilung extrinsische und intrinsische Motivation (vgl. auch Eintrag Motivation), aber integrative …?

Der Begriff integrative Motivation, in der Didaktik in GB gang und gäbe, meint die intrinsische Motivation, die Lernende haben (oder nicht haben), wenn sie sich interessiert in das Zielsprachenland und dessen Kultur integrieren und dessen Kulturträger verstehen wollen und so eine Empathie für Land und Leute entwickeln. Ich habe das mal lapidar so formuliert: „Integrative motivation refers to students who wish to integrate into the target culture.“

Nicht in jedem Fall ist das bei unseren Lernenden in den Integrationskursen gegeben, weshalb es unabdingbar ist, das für Deutschland und seine Bürger und Bürgerinnen notwendige Verständnis zu erarbeiten. Wer sich nach Abschluss des IKs in Parallelwelten innerhalb von Deutschland verbleibt, bei dem / bei der hat u.a. die integrative Motivation versagt. Oder weniger dramatisch formuliert: Bei erfolgreich motivierter Integration passen die Handlungsaufgaben und die dabei verfolgten Ziele zu den Idealen und Wertvorstellungen der Gemeinschaft, die die zu lernende Sprache spricht. Wenn man beispielsweise dafür eintritt, dass jedwede Religion im Land respektiert wird, dann deshalb, weil diese Haltung zu den Werten unserer Zivilgesellschaft gehört.

Karteikarten

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In den seltensten Fällen erlebt man, dass die Lernenden angehalten werden, den Lernwortschatz differenziert aufzuschreiben.

Es tauchen ja in jeder Stunde ständig unbekannte Wörter auf, von denen das eine oder andere wert ist notiert zu werden. Das Wort wird völlig isoliert in ein Arbeitsheft geschrieben, ohne erkennbare Systematisierung nach Antonymen, Synonymen, Wortfamilien, Wortfeldern, Begriffen (Ober- u. Unterbegriffen), Wortbildungskriterien u.a. Voraussetzung dafür ist eine Wortkartei, wo auf der Einzelkarte Hinweise zum grammatischen (morphologischen, syntaktischen) und lexikalischen Gebrauch stehen. Die Übersetzung bzw. bildliche Veranschaulichung auf der Rückseite ist sicherlich besonders im Anfangsunterricht nützlich.

Mit Recht wird in Arbeiten zur Wortschatzarbeit immer wieder für den Einsatz von Karteikarten für das Lernen bzw. Einüben lexikalischer Einheiten plädiert. Der hilfreiche Einsatz von Vokabeltrainer bzw. Wortschatzapps beruht ja letztlich auf dem Karteikartenprinzip.

Konjugation mit Genderblick

Obwohl es schon eine Weile her ist, erinnere ich mich noch gut an zwei Hospitationen bei einem ehemaligen protestantischen Pfarrer und DaZ-Lehrer, der in einem Weiterbildungsseminar fand, es würde die Rolle der Grammatik im Unterricht unterschätzt werden. Kommunikative Grammatik und induktives Vorgehen schienen ihm weniger plausibel als deduktives.

Es wunderte mich nicht, dass in beiden hospitierten Stunden formale Grammatik-Übungen im Vordergrund standen. Über 20 Minuten wurde das Konjugationsschema im Präsens in der einen Stunde geübt und das Perfekt etwa 30 in der anderen. Die Konjugationsformen von Verben wurden immer wieder aufgesagt – auch mal rückwärts –, die vielen sogenannten Ausnahmen an die Tafel ge- und dann ins Arbeitsheft abgeschrieben. Ein Spiel allerdings war dabei, das durchaus etwas Abwechslung in dem Einerlei brachte:

Kleingruppen (wahrscheinlich vier) bekamen je einen Würfel; an der Tafel stand für alle sichtbar eine Zuordnung: 1 – ich, 2 – du, er, sie es – 3 usw. Es wurde gewürfelt und je nachdem welche Zahl angezeigt war, musste das jeweilige Verb mit der richtigen Endung genannt werden.

Nun ist prinzipiell nichts gegen das Lernen von Konjugationsschemata einzuwenden, sie können helfen, wenn sie gezielt eingesetzt werden: zur Lernorientierung, Fehleranalyse, Wiederholung. Doch darf man nicht außer Acht lassen, dass die Beherrschung von Konjugationsschemata nicht mit der Anwendung der richtigen Formen in kommunikativen Kontexten gleichgesetzt werden darf. Das auswendig gelernte Schema wird dann oft formal beherrscht, in der kommunikativen Anwendung jedoch nicht.

Deshalb ist die induktive Einführung der Konjugation z.B. über einen Kurzdialog (ich- du …) und die Ableitung des Konjugations-Schemas über kommunikativ orientierte Einführungsbeispiele und erste Übungen wirkungsvoller. Auch eine kommunikativ bedingte Schema-Durchbrechung kann den Lernprozess unterstützen:

Ich gehe/du gehst/er, sie, es geht./Geht es?/Danke, es geht. (nach Rudolf Steinmetz)

Offensichtlich muss mich die Langeweile des ständigen Konjugierens abgelenkt haben, denn bereits in der ersten hospitierten Doppelstunde fiel mir die auf Ewigkeit festgeschriebene Reihenfolge der 3. Person Singular auf: zuerst der Mann – er, danach die Frau – sie und zum Schluss das es. Warum nicht einfach mal mit sie beginnen und eine Erklärung für die Aufgabe der männlich bestimmten Reihenfolge nachschicken?

Nachtrag:

Im Moment des Schreibens war mir nicht gegenwärtig, dass der Genderblick auch die Reihenfolge der Artikelnennung unter die Lupe nehmen nehmen müsste, worauf Anja Böttinger mich aufmerksam gemacht hat.

Lehrersprache

„Die Lehrersprache ist eine Kunst, die man Gott sei Dank lernen kann“, bemerkt eine Mithospitantin neben mir, die wie ich feststellt, dass die Redeteile des Hospitierten das Verstehensniveau der Kursteilnehmenden überschreitet. Gerade für ‚Quereinsteiger‘ ist es wichtig, dass sie lernen, in der Unterrichtssprache verständlich, der jeweiligen Unterrichtssituation angepasst zu unterrichten.

Es ist keine neue Erkenntnis, Lehrende sprechen oft zu viel im Unterricht. Und das ist besonders im Sprachunterricht problematisch. Wenn mehr als zwei Drittel der Redezeit von der Lehrkraft in Anspruch genommen wird, liegt etwas im Argen.

Hier muss man/frau ich selbst rigoros zurücknehmen und den eigenen Sprechanteil sagen wir, einfach mal um 50 Prozent reduzieren! Was sehr schwer ist, wenn man sich viel von den ja durchaus berechtigten Ausführungen sparen muss. Doch bevor ein solcher Schritt gegangen werden kann, muss man seinen Anteil am Kommunikationsgeschehen des Unterrichts zunächst klar diagnostizieren und analysieren, um gegebenenfalls die eigene Dominanz zu erkennen.

Macht des guten Beispiels

Die Lernwirksamkeit des Beispiels ist unumstritten. Bei Goethe heißt es dazu positiv: Ein edles Beispiel macht die schweren Taten leicht.

Man könnte das Zitat mit Blick auf den Sprachunterricht und somit auch den DaZ-Unterricht paraphrasieren: Ein gutes Beispiel kann das Lernen erleichtern, klingt eher platt als glatt wie bei Goethe, aber die Formulierung fiel mir ein, als ich Zeuge wurde bei der gewiss nicht einfachen Einführung des Futurs II (der sogenannten vollendeten Zukunft) in einer B2-Gruppe, wo man schon mal den Kauz auf der eigenen Schulter raunen hören kann: wozu, wozuuuuu? Wann verwenden wir diese komplizierte Struktur, in der zwei Zeitformen kombiniert werden müssen, überhaupt?

Methodenvielfalt

Ein guter und abwechslungsreicher Unterricht lebt von der Methodenvielfalt. Deshalb ist ein Kriterium bei Hospitationen festzustellen, ob in einer Stunde verschiedene Methoden angewendet werden oder nicht. Wenn z.B. in einer A2-Gruppe 70 Minuten lang nur Diktate geschrieben, ausgewertet und besprochen werden, ist der Forderung nach Methodenvielfalt jedenfalls nicht hinreichend genügt.

Natürlich darf man die Anwendung von Methoden nicht rein formal betrachten und sie nur numerisch erfassen, sondern muss ihren Einsatz unter funktionalem Aspekt beobachten, d.h., ihre didaktisch-methodische Begründbarkeit im Auge haben. Im gegebenen Falle, wenn denn nun mal die Orthographie im Zentrum der Stunde stehen sollte, dann wäre denkbar gewesen, verschiedene Diktatformen (Lücken-, Partner-, Laufdiktat), aber auch freie Schreibformen applizieren zu lassen. Schließlich hätte sich die Selbstkontrolle des Geschriebenen als weitere Methode angeboten.

Um in der Lage zu sein, didaktisch-methodische begründete Methodenvielfalt walten zu lassen, muss das eigene Methodenrepertoire natürlich zielstrebig ständig erweitert werden. Die voranschreitende Digitalisierung des Unterrichts bietet dazu gute Möglichkeiten.

Methodenwechsel

Die im letzten „didaktisch-methodischen Kalenderblatt“ eingeforderte Methodenvielfalt soll hier noch einmal hinterfragt und begründet werden. Formal betrachtet ist der Methodenwechsel bei Hospitationen leicht beobachtbar. 3 bis 4mal die Methode gewechselt – und wer leistet das nicht? = guter Unterricht.

Doch seine Effektivität ist so noch nicht nachgewiesen. Die kann nur aus einem begründeten Wechsel der Methoden erwachsen. Und der guten Gründe sind einige.

Motivationsfunktion zuvörderst: Zeitlich zu lange, langgezogene, dadurch gleichförmige Unterrichtsphasen wirken, wie jeder weiß und schon erfahren hat, demotivierend.

Damit eng verbunden: Aufrechterhaltung bzw. Wiederbelebung der Konzentration durch neue Aufgabenstellungen, neue Anforderungen.

Dazu kommt die notwendige Berücksichtigung der Lernerindividualitäten: verschiedenen Lern- und Gedächtnistypen, unterschiedlichen Vorerfahrungen, Lerngewohnheiten, Lernerwartungen lässt sich nur, wenn auch immer nur (sehr) begrenzt, durch Wechsel und Vielfalt der Methoden entsprechen.

Und damit ist auch das Stichwort Binnendifferenzierung aufgerufen, das über Wechsel und Vielfalt von Methoden verschiedene, unterschiedliche Personen und Personengruppen erreichen soll und kann.

Motivation

Hier folgendes gelungene Beispiel:

In einem B1-Kurs wird das globale Leseverstehen anhand folgenden Textes (hier gekürzt) geübt, der nicht im Lehrbuch steht, aber von großem Interesse ist, nicht zuletzt deshalb, weil er lernmotivierendes Potential enthält. Sage mir keiner, es bedürfe solcher extrinsischen Motivation in Integrationskursen nicht.

Deutschkenntnisse entscheiden über Arbeitsmarkterfolg von Migranten  

Bei gleichen Deutschkenntnissen und gleichem Bildungsstand unterscheiden sich die Löhne von Migranten und Deutschen kaum. Das belegt eine Untersuchung des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die am Montag (7.10.2019) erschien. Gute Deutschkenntnisse seien danach somit eine grundlegende Voraussetzung für Migranten, um auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein, heißt es in der Studie. „Der Spracherwerb ist der Schlüssel zur erfolgreichen Integration in den deutschen Arbeitsmarkt“, sagte Wido Geis-Thöne, Verfasser der Studie.

Es lohnt sich also, alle Kraft in den Erwerb der deutschen Sprache zu investieren und das vom BAMF geförderte Integrationsprogramm zielstrebig zu nutzen. Ich fand es auch ehrlich, dass nicht verschwiegen wurde, dass trotzdem der Anteil von Arbeitslosen mit Migrationshintergrund am Gesamtaufkommen relativ hoch ist. Allerdings schloss sich der Argumentationskreis insofern wieder, als laut der genannten Studie die höhere Erwerbslosigkeit der Zuwanderer zu bedeutenden Teilen auf ihr insgesamt geringeres Sprachniveau zurückzuführen ist.(Textquelle: https://www.spiegel.de/karriere/deutschkenntnisse-entscheidend-fuer-gehalt-von-migranten-a-1290343.html    

Mut zur Leerstelle

Von den verschiedenen Wortschatzvernetzungen (thematisch organisierten Netzen, Wortfamilien, Kollokationen, Phonemstrukturen, der Silbigkeit u.a.m.) sind sicherlich die Antonym- und Synonymverbindungen didaktisch-methodisch betrachtet am einfachsten zu handhaben, wenn man sich mal journalistisch ausdrücken will. Während mit Antonymen bekanntlich ganz unterschiedliche Aussagen formuliert werden können, geht es bei Synonymen doch um die Signalisierung gleicher oder fast gleicher Inhalte, weshalb Antonyme und Synonyme eigentlich nicht in einen Topf geworfen werden dürfen, z.B. nicht in einer Reihe mit Antonymen in einem Wortschatzheft aufgeführt werden sollten.

Doch bei Hospitationen konnte man schon eine gewisse Unbekümmertheit im Umgang mit beiden Kategorien feststellen. Das wurde mir in einer Stunde besonders bewusst, in der Antonyme nicht nur auf der Adjektiv-/Adverbebene, sondern auch andere abgeleitete Wortarten behandelt wurden: arm – reich; Armut – Reichtum; arm machen – reich machen, doch zu verarmen gibt es z.B. kein Pendant, also nicht *verreichen*, wohl aber bereichern. Für den kognitiv bestimmten Wortschatzerwerb kann die Kennzeichnung von Leer- bzw. Fehlstellen in Wortschatznetzen durchaus lernfördernd sein. Die Auflistung/Aufreihung ist bestenfalls ein erster Schritt, die kommunikativ bedingte Einbettung der entsprechenden Antonyme auf den verschiedenen Ebenen der erforderliche zweite.

Ordnung ist das halbe Leben

Bloß nicht noch solche Sprüche, die die Ordnung in Deutschland/der Deutschen feiern. Sie wird auf jeden Fall übertrieben, meinen viele. Andere mögen deshalb eher davon angetan sein, wenn Ordnung als „Unordnung höherer Ordnung“ (Kersten Kämpfer) betrachtet wird. Noch besser könnte es für einige klingen, wenn zwar akzeptiert wird, dass Ordnung das halbe Leben ist, doch „die restlichen 60 Prozent es erst spannend“ machen (Karlheinz Karius).

Wie dem auch sei, im Unterricht muss eine auch für Fremde bestimmte Ordnung erkennbar sein, ob an den Wänden oder auf dem Fensterbrett. Hier eine verschlissene Deutschlandkarte, dort eine Anhäufung von nicht abgewaschenen Tassen, zeugt von wenig Ordnungssinn, der sich womöglich im Lernprozess widerspiegelt. Denn für das Lernen sind Ordnung, Strukturierung unabdingbar. In Alphakursen wird auf den gezielten Einsatz von Lernstrategien wie Arbeit mit verschiedenen Heften systematisch geachtet, wobei Entscheidungen getroffen werden, wo was weshalb geschrieben, nachgeschrieben, aufgeschrieben wird. In B1-Gruppen glaubt man hingegen häufig, die Lernenden müssten in der Lage sein, selbst zu entscheiden, was für sie wichtig ist, was sie sich wo aufschreiben müssen. Oft weit gefehlt, ein Din-4-Heft, in das alles so irgendwie hineingeschrieben wird, wie es sich aus dem Verlaufe des Unterrichts ergibt, ob Wortschatz, Grammatik, Sprachhandlungen, Redemittel, Landeskunde usw. – alles hinein in einen Sack. Keine Frage, dass man auf diese Weise nicht effektiv damit lernen kann. Freilich fällt die Strukturierung von Lernstoff individuell verschieden aus, aber wenn sie generell nicht gegeben ist, muss nachgesteuert werden.

Überseht die Reduktionsübungen nicht!

Die Zahl der traditionellen klassischen Übungsprozeduren, die im DaF- und DaZ-Unterricht meist bemüht werden, ist überschaubar: Substituieren, Transformieren, Komplementieren, Expandieren, Reduzieren, Sätze formieren. Die Übungen sind in den Lehrbüchern in dieser oder jener Form vorgegeben und werden im Unterricht meist mehr oder weniger in unterschiedlicher Häufigkeit abgearbeitet.

Obwohl ich keine quantitativen Untersuchungen dazu kenne, fällt bei Hospitationen eine Dominanz von Komplementierungsübungen auf. Mir ist auch ein Deutschlehrbuch unserer Tage bekannt, in dem es nur so wimmelt vor Ergänzungsübungen. Zudem stolperte ich vor Kurzem zufälligerweise bei einer Internetrecherche über eine Übersicht zu Übungsformen im Rahmen eines Zusatzmaterials Online-Übungen (Sprachniveau B2) des Schubertverlags im Internet und wundere mich gar nicht, dass fast die Hälfte der dort benannten Übungen Ergänzungsübungen sind. Nichts gegen diese Übungsform, aber man fragt sich schon, wie es zu dieser Dominanz kommt, die ich mehr als gelegentlich auch im hospitierten Unterricht beobachtet habe.

Nicht nur einmal aber wurden Reduktions-/Reduzierungsübungen vermisst, die als Antonym zu Expansionsübungen zum Erfassen und korrekten Bilden von Kernsätzen dienen können. Sie bilden authentische Kommunikationsvorgänge ab. So können sie das Gliedern und Zusammenfassen von Sätzen, Textpassagen, Texten unterstützen, was in hohem Maße geistige Operationen erfordert, die sich sprachlich widerspiegeln, und ist somit auch eine wesentliche fremdsprachliche Kompetenz. Dabei erkennt und lernt man z.B. schlicht und einfach, welche Verben unerlässlich ein Objekt erfordern, also wo und wann Valenzen unabdingbar zu beachten sind, wo und wann sich ganze Satzkonstruktionen auf kurze Orts- und Zeitangaben reduzieren lassen u.a.m.

Wer sich eigenständig der Wahl entsprechender Übungsformen stellt, wird sich nicht allein auf die Vorgaben des jeweiligen Deutschlehrbuches verlassen, sondern sein persönliches Inventar an Übungsformen entsprechend der jeweiligen Lernsituation zielführend und somit ausgewogen einsetzen.

Rituale

Mittwochs wird in unserer Gruppe wiederholt, wird mir eingangs einer Hospitation mitgeteilt. Auf den ersten Blick hin mag man diese Festlegung, dieses Ritual, für formal halten, auch könnte man auf Nachteile von ‚massiver Wiederholung‘ verweisen. Dennoch zeigte sich in dem gegebenen Fall eine zielführende, schwerpunktmäßige Wiederholung des Gelernten und Geübten der letzten Tage, auch deshalb, weil ein Großteil der Lernenden den Aufforderungscharakter des Rituals verinnerlicht hatte. Die Gefahr der Erstarrung solcher Gewohnheiten wird dadurch gebannt, dass immer Unterschiedliches wiederholt und unterschiedliche Formen der Wiederholung bemüht werden. Der Vorteil solcher Makro-, aber auch Mikro-Rituale liegt auf der Hand: Sie helfen den Unterricht durch möglichst gemeinsam verabredete feste Abläufe zu strukturieren, sie fördern die Selbstständigkeit und helfen mit eine vertraute Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Abgesehen von den allgemein üblichen Ritualen wie Begrüßung, Verabschiedung, Wochenanfangs- und Wochenendgepflogenheiten, neueste Nachrichten, die die Gruppe betreffen, u.a.m., sollte daher Wert daraufgelegt werden, für die jeweilige Gruppe angepasste, spezifische Rituale zu finden und variantenreich zu gestalten.

Scaffolding

„Wissen Sie, was mir besonders gut an Ihrer Stunde gefallen hat?!„Nein, natürlich nicht. Wie sollte ich?“

„Das Scaffolding“.

„Scaffolding, Scaffolding“ …, ehrlich gesagt, mit dem Begriff weiß ich im Moment nichts anzufangen.“

„Na, Scaffolding – im Englischen für (Bau) Gerüst, ist ein neuerer Begriff, aber die Sache ist nicht neu. Sie haben aus dem behandelten Text ein Wort- und Strukturengerüst als Orientierungsgrundlage erarbeitet und auf dieser Grundlage konnten sich Ihre Lernenden die typischen Textstrukturen, grammatische und vor allem lexikalische, für die Textsorte aneignen. Und wie Sie mit den Lernenden dieses Strukturen- und Wortgerüst zur Textzusammenfassung aufgebaut und dann wieder gemeinsam abgebaut haben, fand ich schon beeindruckend. Gerade weil die begrenzte zeitliche Unterstützung durch das Gerüst dazu führte, dass sich die Lernenden wesentliche Inhalte, neue Begriffe und entsprechenden Wortschatz angeeignet haben. Wenn Sie Ihr Scaffolding vertiefen wollen, schicke ich Ihnen einen Link dazu: https://www.uni-saarland.de/fileadmin/user_upload/Professoren/fr41_ProfHaberzettl/studium/ %C3%9Cbung_DaZ_Mirja/Scaffolding.pdf“.

Scheinbar und anscheinend als Antonyme?

Wer hat sich nicht schon alles mit dem Bedeutungsunterschied von scheinbar und anscheinend beschäftigt. Der Grund dafür ist nicht zuletzt die hohe Verwechselungsquote beim Gebrauch dieser Adverbien. In vielen Fällen wir scheinbar verwendet, wo anscheinend gesetzt werden muss. Statt: „Das ist ihm scheinbar egal.“ muss es ja z.B. heißen: „Das ist ihm anscheinend egal.“ Bekanntlich drückt anscheinend eine Vermutung aus, scheinbar signalisiert, dass etwas dem äußeren Eindruck, dem Schein nach, wahrscheinlich, nicht aber tatsächlich so ist.

Normalerweise werden die Unterschiede der beiden leicht verwechselbaren Adverbien im Unterricht für eher Fortgeschrittene nach allen Regeln der Kunst erklärt und auch geübt. In der hospitierten Stunde war das nicht anders. Was jedoch auffiel: Beide Adverbien wurden als Antonyme im weitesten Sinne, als Gegensätze behandelt: Anscheinend, das von Anschein kommt, als Gegensatz zu Schein, das in scheinbar steckt und etwas beschreibt, was dem Schein nach, also nicht tatsächlich ist. Die Verankerung der beiden Wörter als Gegensatzpaar war auf jeden Fall lernwirksam.

Schemadissonanz

Das kann schon mal passieren. Es geht um das Thema „Beim Arzt“. An einer Stelle soll die weitestgehend geschlechtslose Figur an der interaktiven Tafel bemüht werden, an der Bezeichnungen der Körperteile geübt werden können: das Gesicht mit Mund, Nase, Augen u. Ohren, die Gliedmaßen u.a.m. Offensichtlich nicht zum ersten Male, und dennoch wird dieses Mal der Vorgang mit großem Trara, Gelächter, Fröhlichkeit, Begeisterung begleitet, weil die Figur auf dem Monitor im wahrsten Sinne Kopf steht. Die Kursleiterin erkennt sofort die Lernstimulanz des verdrehten Fotos und lässt es auf dem Kopf stehen, wiederholt die entsprechenden Bezeichnungen und verbindet sie mit dem Grundwort -schmerz, Kopfschmerzen, Ohrenschmerzen usw.

Doch was war geschehen?

Ein Schema, ein kognitives Schema, das wir im Kopf haben, der Mensch steht normalweise auf den Füßen – von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt und nicht umgekehrt – wurde unbewusst durchbrochen und somit eine Schemadissonanz erzeugt, die durchaus lernfördernd sein kann.

Freilich müssen derartige kognitive Strukturen / Schemata erst einmal da, gefestigt und verfestigt sein, ehe man sie lernfördernd durchbrechen kann und darf.

Der bekannte deutsche Maler Georg Baselitz, der sich künstlerisch dieses Vorgangs bemächtigt, hat mit seinen auf den Kopf gestellten Figuren internationale Anerkennung erworben. Falls Sie neugierig geworden sind, klicken Sie doch einfach auf den Namen Georg Baselitz und die entsprechenden „Werke wider die Ordnung“

(https://www.wikiart.org/de/georg-baselitz/all-works#!#filterName:all-paintings-chronologically,resultType:masonry

Selbstevaluation

Selbstevaluation wird zunehmend und das mit Recht auch im Hinblick auf unsere Lernenden großgeschrieben. Können doch dadurch die Lernmotivation und besonders das selbstständige strategische Lernen gefördert werden. Zudem kann sie dazu führen, einen vielleicht immer noch zu lehrerzentrierten Unterricht ‚aufzuweichen‘.

Gelegentlich wird einem entgegengehalten, „meine Lernenden“ sind dazu (schon aufgrund ihres Sprachstandes) nicht in der Lage und auch (aufgrund ihrer bisherigen Lernerfahrungen) nicht dazu bereit.

Solche kritischen Stimmen kann man nicht pauschal zurückweisen. Sie weisen vielmehr auf die Komplexität des Prozesses der Selbstevaluation hin. Und die lässt sich nur schrittweise und dabei kleinschrittig entwickeln. Der Unterricht bietet dafür vielfältige Gelegenheiten. Eine zeigte sich bei einer hospitierten Stunde, in der ein Diktat geschrieben und danach die Lernenden erst einmal gebeten wurden – und das offensichtlich nicht zum ersten Male –, die geschätzte Fehlerzahl zu notieren. Im zweiten Schritt zur Selbstevaluation wurde dann mehr oder weniger objektiv die tatsächliche Fehlerzahl ermittelt und mit der geschätzten verglichen, woraus gemeinsam Schlussfolgerungen für künftige orthografische Übungsschwerpunkte gezogen werden konnten.

Spaß mit Spiegelschrift

Dieses Mal kein Aufhänger aus Hospitationen, sondern eine aktuelle Anregung aus dem Internet: https://www.swp.de/suedwesten/staedte/crailsheim/friseur-in-rot-am-see-corona-regeln_-kunde-bringt-frisurenwunsch-in-spiegelschrift-mit-46928301.html  (Harald Zigan)



Der Kunde eines Friseursalons teilt seine Wünsche am 10 Juni 2020, 11.40 witzigerweise per Spiegelschrift mit.

Als Witz, als Gag, aber auch als ernsthafte Leseübung kann die Spiegelschrift schon mal dienen. Da sich das Schriftbild völlig verfremdet darbietet, ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Wenn man den gespiegelten Text lesen will, muss man sich sehr konzentrieren und auf bestimmte markante Zeichen besonders achten, die sich auch im Spiegelbild wiederfinden: b wird d

Vielleicht eine willkommene Abwechslung im Übungsgeschehen. Man könnte wenigstens mit einem kurzen Text irgendwann mal für eine Überraschung sorgen: den gespiegelten Text den Lernenden vorlegen und ihn als normalen Text aufschreiben lassen.

Wer keine Freude daran hat, selbst ein paar Sätze zu ‚spiegeln‘, ruft ein frei verfügbares Programm auf, das für ihn die Schwerstarbeit leistet: topster.de z.B. macht es möglich.

*Sicherheitshalber die ‚Übersetzung‘: Bitte zuerst die Seiten mit der Maschine auf 9 mm

schneiden, den Rest mit der Schere. Alles darf wieder kurz werden, es wird ja jetzt Sommer.

Storytelling

Klingt als Anglizismus erst mal durchaus einladend. Aber was steckt dahinter? Genauer besehen heißt es für unseren Unterricht nichts anderes als das Erzählen von Tätigkeitsabläufen, Erlebnissen, Vorkommnissen, Geschichten, und zwar zum einen Erzählen aus der Sicht der Lehrenden und zum anderen aus der von Lernenden.

Das Erzählen hat im DaF-/DaZ-Unterricht zweifellos immer eine Rolle gespielt, auch wenn es hier und da vernachlässigt worden ist. Diese Erkenntnis mag den bekannten, leider verstorbenen Englisch- und DaF-Didaktiker Hans-Eberhard Piepho bewogen haben zu fordern, dass in jeder Unterrichtseinheit als fester Bestandteil eine kleine Geschichte erzählt werden sollte. Ein wesentliches Moment dabei ist die Strukturierung, die die jeweilige Erzählung leitet und befördert. Wenn jemand über ein Familientreffen nach langer Zeit erzählt, bedarf es einer anderen Textstruktur als wenn jemand über seine Jobsuche erzählt. Und eine solche Strukturierung habe ich bei Hospitationen gelegentlich vermisst.

Das Erzählen kann zunächst über das reproduktive Sprechen, also variationsloses Sprechen einerseits wie auch gelenkt-variierendes Sprachen andererseits, mitentwickelt werden. Doch Erzählen firmiert letztlich unter dem sog. freien Sprechen. Die Zielgröße freies Sprechen wird deshalb hervorgehoben, weil es Zeiten gab, wo man das Nacherzählen über das (freie) Erzählen stellte, viel Wert auf das Verstehen und Nacherzählen von Anekdoten, aber auch Fabeln, Witzen u.a.m. legte. Derartige Textsorten sollten nicht aus dem Unterricht verschwinden, sondern vielmehr in die systematische Entwicklung des freien Erzählens integriert werden.

Systematisierung nicht vergessen

Die Präposition wegen wird anhand kommunikativer Beispiele eingeführtEs folgen eine kurze Erklärung von Funktion und Bedeutung sowie mehrere Übungen. Es fällt auf, dass eine Systematisierung von anderen kausalen Ausdrucksmöglichkeiten unterbleibt, obwohl einige davon durchaus bekannt sind – wie natürlich einfache Hauptsätze mit denn und deshalb, der Kausalsatz, die Adverbkonnektoren wie doch, schließlich.

Indes so wichtig und richtig die prinzipielle kommunikative Orientierung des Fremdsprachenunterrichts ist, die durch die Berufsorientierung neue Impulse erhält, so wenig darf die Phase der Kognition, der Bewusstmachung, der Ein- und Zuordnung, der Vernetzung zu lernender Strukturen unterschätzt werden. Gerade im Erwachsenenunterricht darf man nicht dem Glauben verfallen, kommunikative Vermittlungs- und Einübungsprozeduren führten automatisch zur systematischen Entwicklung kommunikativer Sprachkompetenz.

Eine Form der Kognition ist auf jeden Fall die Systematisierung. Genau genommen ist sie nicht auf eine Phase des Unterrichts festgelegt, wie gelegentlich argumentiert wird. Sie kann bereits bei der Vermittlung von lexikalischen und grammatischen Strukturen, bei Wiederholung oder bei Fehleranalysen eingesetzt werden. Auch Übungen können systematisierenden Charakter aufweisen. Nicht umsonst gibt es den Übungstyp Systematisierungsübungen.



Tafelanschrieb/Tafelschrieb 

       https://iikberl.uber.space/sites/default/files/styles/thumbnail/public/2020-10/Tafelschrieb.JPG?itok=V_f-Rtmt      Als Germanist kann man schon ins Grübeln kommen, wenn man diese Wörter liest. Mir ging es jedenfalls so, als ich zum ersten Male auf den obigen fachwissenschaftlichen Ausdruck stieß. Mir hatte der Ausdruck Tafelbild gereicht.

Ich rümpfte auch ein wenig die Nase, als Prof. Eberhard Piepho/Bielefeld vor vielen, vielen Jahren über den Tafelschrieb einen fast zweistündigen Vortrag hielt. Der war dann sehr überzeugend, weil aufschlussreich, erfahrungsreich, unterhaltsam. Keine Angst, ich werde hier nicht meine Notizen ausbreiten (traditionelles Medium, lernunterstützend, Präsentation von visuellen Lernhilfen, ergebnissichernd, nicht wegzudenken aus dem Unterricht u.a.m.).

Was damals Herrn Piepho nicht zur Verfügung stand, waren das interaktive Whiteboard, das E-Flipchart, das Handy, Gerätschaften, die es erlauben, das jeweilige Tafelbild zu speichern und bei Bedarf (zur Wiederholung, Weiterführung, zum Ausbau) wieder aufzurufen. Dann lohnt sich die Arbeit doch!

Überflüssige Fragen

Gezielte Fragen sind Bestandteil des Feedbacks, aber die Entscheidungsfrage vom Typ: Haben Sie mich verstanden? / Habt ihr meine Erklärung verstanden? / Habt ihr alles verstanden? oder so ähnlich bringt wenig, ist verlorene Liebesmüh‘. Wenn diese Frage gestellt wurde, hört man selten eine erhellende Antwort, sondern bestenfalls ein JA. Doch halt: einmal meldete sich eine Lernerin auf eine solche Entscheidungsfrage hin und stellte eine Sachfrage dazu. Mit Recht wurde sie gelobt. In der Regel wird kaum ein Lernender/eine Lernende zugeben, dass er/sie etwas nicht verstanden hat, schon gar nicht, wenn er/sie aus einem Land kommt, wo der Lehrende als unantastbare Persönlichkeit gilt.

Gelegentlich die eigene Frageverwendung überprüfen kann hilfreich sein. Solche Fragen vermeiden und echte Kontrollfragen stellen.

Übungsfrequenzen

Ich muss noch einmal zurückkommen auf die Unterrichtsstunde, in der bei der Einführung des Nebensatzes nach struktureller und inhaltlicher Erklärung des Phänomens 6 Lehrbuchübungen hintereinander abgearbeitet wurden. Es handelte sich dabei um Übungen im engeren Sinne: mehrfache absichtsvolle, zielbewusste Wiederholung von Übungseinheiten im Rahmen vorgegebener Muster.

So weit, so gut, doch, wie jeder Lehrende weiß, werden im Lehrbuch bei der jeweiligen Übung bestenfalls nur 6 bis 8 Übungsitems zur Automatisierung angeboten. In der Gruppe saßen aber 21 Lernende, d.h. nach drei recht verschiedenen Übungen ist bestenfalls jede bzw. jeder mit je einem Beispielsatz drangekommen. Doch gerade bei den ersten Übungen zu neuen Redeteilen etc. ist unabdingbar, dass möglichst jeder/jede die neue Struktur nicht nur liest, sondern auch verlautbart. So ist die Lehrkraft gehalten, entsprechend der Spezifik der Gruppe dafür zu sorgen, dass entsprechend viele Übungsbeispiele zur Verfügung stehen bzw. durch Variation des zu übenden Musters das Übungsgeschehen erweitert wird. Dabei muss natürlich gesichert werden, dass der Übungskern erhalten bleibt, also im gegebenen Fall die Stellung des infiniten Verbs in Nebensätzen am Ende des Satzes.

Wieviel Üben und Übungen im jeweiligen Fall erforderlich sind, kann natürlich nicht generell beantwortet werden. In Zeiten, wo man behavioristisch argumentierte, war man sich nicht zu schade, von 6- bis 8mal bei einem Muster/Pattern zu sprechen. Ahistorisch betrachtet, kann man heute solche Angaben (auch wenn Sie im Internet noch herumschwirren) unter Ulk verbuchen. Es gehört mittlerweile zum Allgemeinwissen, dass der Erfolg elementarer Übungen vom lernenden Subjekt und seiner Motivation, von der Beschaffenheit des Lerngegenstandes, der Lernvoraussetzungen, der systematisch aufgebauten Übungsfolgen und anderen Faktoren abhängt.

Unterrichtseinheiten (UE)

Nicht umsonst wird bei der Planung von Unterricht mit Unterrichtseinheiten operiert. Normalerweise ist das in Deutschland die Unterrichtsstunde, die 45 Minuten beträgt und die erfahrenen Lehrenden meist in Fleisch und Blut übergegangen ist.

Bekanntlich wird bei uns am IIK meistens in 2 Doppelstunden und einer einfachen Stunde unterrichtet. Welche Zeiteinheit auch immer man der jeweiligen Stundenplanung zugrunde legt, hängt von vielen Faktoren ab:

Zielstellung, Stoff, Zeit, Sprachniveau der Lernenden, Beherrschung von Lernstrategien u.a.m., aber auch Vorlieben der jeweiligen Lehrkraft. Doch so flexibel man die Strukturierung von Unterrichtseinheiten auch gestalten mag, sie muss erkennbar bleiben. Das war in nicht nur einer der hospitierten Doppelstunden nicht gegeben. Das aktuelle Beispiel dafür:

Zwei sehr unterschiedliche Themen und Aufgabenstellungen (Reisebericht u. Bewerbungsgespräch) werden ohne erkennbare Zusammenhang, Dramaturgie, Übergang, Einstieg usw. be- bzw. erarbeitet.

Unterrichtsvorbereitung

Der Verfasser dieser Anregungen kommt aus einem Land, wo Lehrerinnen und Lehrer – gleich welcher Couleur – ihre jeweilige Unterrichtsvorbereitung bei einer Hospitation vorweisen mussten. Bei meinen Hospitationen am IIK Berlin habe ich die Vorbereitung für den Tag, für die Woche nicht verlangt, auch nicht eingesehen, sie wurde mir allerdings auch nur in einem Fall zur Ansicht angeboten. Aber die Frage nach der Unterrichtsvorbereitung stellt sich mir schon.

Wer 5, 6 Übungen aus dem Lehrbuch hintereinander in 90 Minuten durcharbeitet, keine Übungs- bzw. Aufgabenvarianten anwendet, ist für mich nicht ausreichend vorbereitet, desgleichen auch nicht, wenn in den 90 Minuten kein Ziel angegeben wird, geschweige denn ein Ausblick auf die weiteren Stunden. Das kann man kaum alles im Kopf haben, selbst wenn man sehr erfahren ist, ein Gerüst braucht man doch.

Für mich ist indes nicht so entscheidend, wie man sich schriftlich auf den Unterricht vorbereitet, mir reicht es, wenn die Lernziele klar formuliert, wichtige Inhalte (Schlüsselbegriffe), Unterrichtsphasen, Sozialformen, das entsprechende Lehr- u. Lernmaterial u. die didaktisch-methodischen Hauptschritte markiert sind.

Wenn das dann auf einen Bierdeckel passt wie bei dem bekannten CDU- Politiker Merz die Steuererklärung – meinetwegen, ein bisschen skeptisch bin ich in beiden Fällen.

Von der Abnutzung: Entschuldigung

Die Gruppe hatte gerade begonnen, X kommt zu spät und wird sofort angehalten sich zu entschuldigen. Die Gruppe lernt: Man muss sich entschuldigen und sagt dafür Entschuldigung – „Entschuldigung“. Die Lehrerin begründet noch: „In Deutschland ist man immer pünktlich.“

Man könnte in Abwandlung des didaktisch-methodischen Begriffs Vorlauf, der früher als „grammatischer Vorlauf“ gängig war, ab den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts im Zuge der kommunikativen Wende jedoch mehr oder minder abhandenkam, im gegebenen Fall von kommunikativ-pragmatischem Vorlauf sprechen. Unsere Kursteilnehmenden lernen nicht nur eine kommunikativ relevante Wendung, die sie in den verschiedensten Situationen verwenden können, ohne diese zum Zeitpunkt der Erstvermittlung und der Anwendungsbereitschaft im Einzelnen nachvollziehen zu können. Hier wäre eine weitere: Entschuldigung, können Sie mir sagen …?

So wichtig und richtig die Einführung von Entschuldigung ist, so wenig darf man dabei übersehen, dass die ‚nackte Entschuldigung‘ allein bequem macht, zur reinen Routine werden kann: Y kommt 20 Minuten zu spät, sagt Entschuldigung und setzt sich. Basta. Was wollen Sie denn, ich habe mich doch entschuldigt. Oft genug erlebt.

Also muss möglichst schnell die Begründung für ein Zuspätkommen folgen und das reflexive Verb sich entschuldigen eingeführt werden, spätestens, wenn die entsprechenden Verben dran sind. Im Hinterkopf dabei; dass zu den aktuellen Sprachentwicklungstendenzen zwar gehört zu sagen: Ich entschuldige mich für mein Zuspätkommen, es aber korrekterweise heißen müsste: Ich bitte um Entschuldigung, denn Y entschuldigen kann nur die Lehrerin, der Lehrer, nicht der Zuspätkommende sich selber.

Von der Dokumentenkamera zum Padlet

Eine Lehrerin, die sich im Unterricht Deutsch als Fremdsprache auskennt, jetzt aber als Direktorin einer Schule in Berlin agiert, schickt mir ein Padlet, das ihren Unterrichtsplan für eine Woche zeigt, der mit den Lernenden kollaborativ erarbeitet wurde: „Deine begeisterte Auslassung zur Dokumentenkamera in Ehren, aber die digitale Pinnwand, das Padlet, auf dem Texte, Bilder, Videos, Screenshots, Sprachaufnahmen, Links abgelegt werden können, kann mehr, viel mehr leisten.“

Ich antworte postwendend, mich natürlich für ihre anregende E-Mail bedankend:

„Wer wollte das bestreiten, aber in keiner der hospitierten Stunden bis zum Beginn der  Corona-Krise wurde mit einem Padlet gearbeitet, obwohl es ja schon seit einigen Jahren auf dem Markt ist.“

Statt Informationen, z.B. Ergebnisse von Gruppenarbeiten, klassisch vor Ort auf Papier zu sammeln und dann mit Hilfe der Dokumentenkamera auf dem Smartboard nacheinander zu demonstrieren, bietet das Padlet in der Tat entschieden mehr Möglichkeiten. So erlaubte es, die digitale Pinnwand in Echtzeit zu erarbeiten, natürlich Tablets, Laptops oder Handys, Wlan vorausgesetzt.

Die Seite padlet.com bzw. die entsprechende App bietet unterschiedliche Formate an, die die Sammelarbeit, die Strukturierung von Arbeitsergebnissen, die Aktualisierung von Texten, das Vergleichen von Inhalten etc. enorm erleichtern können. Die Arbeitsergebnisse (z.B. Sortieren und Zuordnen von Begriffen) werden nicht ‚frei‘ auf einem Whiteboard abgebildet, sondern in Form von Spalten oder auch mit Hilfe einer Timeline geordnet.

Aufschlussreich und weiterführend ist auch ihr mitgeschickter Link, der allgemein instruktiv didaktisch-methodische Potenzen des Padlets aufzeigt.

https://unterrichten.digital/2020/05/25/padlet-praxisbeispiele-unterricht/

Vgl. auch: https://www.youtube.com/watch?v=yIuI2j-6Aqc

Vielleicht stellt ja jemand ein Beispiel direkt aus dem Integrationsunterricht zur Verfügung.

Wahnsinnig interessant

Es ist zum wahnsinnig werden, wie oft in der mündlichen Kommunikation das Wort wahnsinnig als Verstärkungsmittel heute angewendet wird: Jemand ist wahnsinnig cool, etwas ist wahnsinnig interessant, sie hat wahnsinnigen Durst. Trinkt er oder sie zu viel, unvernünftig viel, könnte man so reagieren: Du bist ja wohl komplett wahnsinnig, d.h., x trinkt ohne Sinn und Verstand. Es soll über 500 Synonyme geben, darunter aberwitzig abgefahrenabgehobenausgelassenausnehmend sehrüberausübergeschnappt, ungewöhnlich, unvergleichlich, unwahrscheinlich.

Was mich aber in den Wahnsinn treibt, ist, wenn in einem Gespräch, einer Erzählung oder auch einem Bericht ständig dieses wahnsinnig + Adjektiv auftaucht.

Es konnte nicht ausbleiben, dass irgendwann im Unterricht gefragt wurde, welche Bedeutung dieses w a h n s i n n i g vor Adjektiven habe. Als Beispiel steht in meinem Hospitationsbuch: Ich bin wahnsinnig müde.

Die Kursleiterin fackelte nicht lange mit der Antwort: wahnsinnig hat hier die Bedeutung von sehr, überaus, ungewöhnlich. Gegenwärtig im Deutschen ein Modewort. Sie müssen es nicht produktiv anwenden, wohl aber verstehen. Im Schriftlichen ist es nach wie vor verpönt.

Weil ich habe keine Zeit.

Es ist schon eine Weile her, dass ich an einer Tomsker Universität eine Vorlesung zu „Entwicklungstendenzen der deutschen Sprache“ hielt und sich in dem anschließenden Seminar eine Diskussion entspann, ob man die Aufhebung der Endstellung des konjugierten Verbs im Kausalsatz mit weil im mündlichen Sprachgebrauch akzeptieren dürfe oder nicht. Die Mehrheit der damals dort versammelten Germanistinnen und Germanisten wollte diese sich bahnbrechende Tendenz nicht anerkennen und sie meinten, ich als Professor der deutschen Sprache müsse einer solchen Entwicklung energisch entgegentreten. Einige schienen sogar von mir enttäuscht, weil ich – aus welchen Gründen auch immer – dafür plädierte, Verstöße von Deutschlernenden im Mündlichen die Endstellung des finiten Verbs im weil-Satz nicht mehr zu korrigieren. Auch der Duden hat ja mittlerweile der Sprachrealität Rechnung getragen.

Wie überrascht war ich daher, als Jahre später in einer hospitierten Stunde in einem berufsorientierten Deutschkurs noch auf der Endstellung des konjugierten Verbs im Kausalsatz mit weil bestanden wurde.

Welches Wort passt nicht?

Zu den Übungen mit eher geringem Lerneffekt gehört die Lehrbuchübung „Welches Wort passt nicht in diese Reihe?“ Warum „mit geringem Lerneffekt“? Weil es sich in den meisten Fällen um eine mehr oder weniger willkürlich zusammengestellte Fehlerübung handelt, die in realer Kommunikationspraxis kaum eine Entsprechung hat.

Nehmen wir ein konkretes Beispiel aus einem Lehrbuch, es könnte auch jedes andere sein: „Gehalt / Lohn / Bezahlung / Abschluss“. Das auszusondernde Wort ist zu streichen, durchzukreuzen, was auch immer. Und wenn man das Wort Abschluss kennt, dürfte es kein Problem sein, es als ‚Fremdkörper‘ in der vorgegebenen Reihe auszumachen.

Wie angenehm überrascht war ich, als eine Kollegin sich nicht damit begnügte, sondern die semantisch zusammengehörigen Wörter systematisierte, die nichtpassenden Wörter in Reihen lancieren ließ, in denen sie passten, und – was noch bemerkenswerter war – mit diesen systematisierten Wörtern wurden Kommunikationsaufgaben bewältigt, im zitierten Beispiel wurde über den Abschluss eines Arbeitsvertrages gesprochen. Das nenne ich gelungene Wortschatzarbeit.

Wenn schon Elfchen, dann auch Haiku

Ich bin immer noch ein bisschen skeptisch gegenüber dem Einsatz des „Elfchens“, wenngleich es bei der Sensibilisierung für die deutsche Sprache helfen kann. Doch man darf nicht vergessen, dass es sich hierbei um eine Übertragung aus dem muttersprachlichen Unterricht handelt, wo normalerweise über die Sprache verfügt wird und kreativer Sprachunterricht Unterricht ‚aus dem Vollen‘ schöpfen kann. Jedenfalls die einzige hospitierte Stunde, in der das Elfchen bemüht wurde, verlief recht schleppend und die Lehrerin musste tüchtig einhelfen. Freilich erfolgreiche Wortschatzarbeit war dabei schon zu beobachten.

Wie es auch sei, mir stellte sich die Frage: Warum sollte man sich auf das Elfchen beschränken und nicht auch andere (ähnliche gelagerte) Strukturen verwenden. Zum Beispiel könnte man an das Haiku denken: Es ist kürzer und arbeitet mit der Silbenstruktur. Die erste Zeile hat fünf Silben, die zweite sieben (hier 6) und die dritte und letzte Zeile wiederum fünf (hier 4), insgesamt also 17 Silben. Und es reimt sich nicht! (hier 15)

So viele Dinge

ruft ins Gedächtnis mir

die Kirschblüte.

(Matsuo Bashô)

Wiederholung: Globus

Wiederholung ist unabdingbar, jeder Lehrende weiß das. Aber wie wiederholt man am besten? Ein Tipp: Altes mit Neuem verbinden. Angaben zur Person werden zu Anfang der Stunde wiederholt. Statt der Weltkarte, die an der Wand hängt und bekannt ist, wird ein Leuchtglobus mit in die Gruppe gebracht. Großes Hallo.

Neue Wörter werden zwingend eingeführt und mit dem bisher Gelerntem verbunden: die Erde: eine Kugel, Globus, etwas zeigen am Globus, Wortbildung: Wiederholung der Himmelsrichtungen, neu Komposita Nordhalbkugel, Südhalbkugel.

Wortbildung von Anfang an nutzen

Es muss in einer A 2 gewesen sein, wahrscheinlich war das Passiv noch nicht bekannt, also konnte das kurz behandelte Suffix –bar nicht mit kann + werden umschrieben werden, wohl aber mit ‚man kann‘ – essen – essbar = man kann es essen/kann gegessen werden; brauchbar = man kann es brauchen/kann gebraucht werden. Freilich wenn das Passiv dran ist, wird man entsprechende Ersatzformen mit der Behandlung des Passivs verbinden. In diesem Fall fällt mir immer spontan Galileis Arbeitsprinzip ein: „Messen, was messbar ist, und messbar machen, was noch nicht messbar ist.“ Entfernt man nun das m vom Verb messen, tritt ein zweites Arbeitsprinzip hervor, das durchaus einen praktikablen Sinn ergibt und obendrein meist zu einem Lächeln führt.

Auf keinen Fall sollte man mit –bar warten, bis etwa das Passiv gelernt worden ist, damit womöglich die Bedeutung/die Funktion des Suffixes einsichtig umschrieben werden kann. Doch dafür ist dieses Wortbildungssuffix viel zu einfach hinsichtlich Funktion und Form und bedarf nicht des Passivs als Verstehensvoraussetzung. Auch wenn das Wort ‚wunderbar‘ dagegenspricht, ist bei –bar eine eindeutige Regularität erkennbar, die man schon frühzeitig zumindest für das Verstehen nutzen sollte. Keineswegs darf die Erkenntnis dazu führen, dass die vielen Unregelmäßigkeiten in der Wortbildung keine aktive/produktive Wortbildung zuließen oder man gar auf systematisch betriebene Wortbildung verzichten solle. Das Suffix –bar, das Präfix zer-, die Substantivierung des Infinitivs und anderes mehr gehören dazu.

Freilich kreative Wortbildung zu früh bzw. ungelenkt zu betreiben, könnte sich aus der Lernperspektive als kontraproduktiv erweisen. Wie soll man z.B. als Lernende auf KühlschrankMauszeiger oder schadstofffrei kommen? Natürlich kann man z.B. Kühlschrank mit Hilfe eines Bildes, eines Funktionsbeispieles, einer Erklärung, aber auch über die Bildungsweise: Adjektiv + Substantiv – kühl + Schrank = Kühlschrank semantisieren lassen.

Zwei-, dreifache, besser noch: vielfache Vernetzung von Wörtern erhöht auf jeden Fall den Lerneffekt.

Zahlen, Zählen und Rechnen

Wer hat nicht seine Lieblingsstunden. Übungen zu Zahlen stehen für mich ganz oben auf der Favoritenliste. Einführung über Zählen, Ausspracheübungen (besonders bei der Differenzierung 13–30, 14–40 ...) die Liste hoch und runter, vorwärts und rückwärts, positive wie negative, gerade und ungerade Zahlen.

Wie viele Tage hat ein Woche, ein Jahr: 365 oder vielleicht 366?, ein Monat ….?

Dann auf jeden Fall die Grundrechenarten, Kettenaufgaben, Wettrechnen, das Einmaleins, Quadratzahlen. Wie lautet die Wurzel aus 144? Nur wenige wissen die Antwort, aber die, die sie kennen, fühlen sich geadelt. Es sind nicht immer die sprachlich Besten. Und als Extra für die ganz ‚Schlauen‘: Primzahlen.

Klar, irgendwann kommen die Preise dran: Vergleichen von Preisen, Aufrufen von Vergleichsportalen, Wochenprospekte von Aldi, Lidl, Rewe vergleichen und feststellen, wo es etwas, was in der betreffenden Woche gerade gesucht wird, besonders billig gibt.

Ja, und natürlich die Ordinalia …

In der hospitierten Stunde – wie sich herausstellte, gab es so eine Zahlenstunde nicht zum ersten Mal: Sprechen Schreiben, ganz wichtig: Hörverstehen. Wir hatten alle viel Spaß.

Zielangaben

Immer wenn ich hospitiere und mir notiere: Gelungene kommunikativ orientierte Zielangabe, überhaupt keine Zielangabe, vage Zielangabe oder nicht zwingend eingebettete Zielangabe, fällt mir das Lied ein, das mit recht in Vergessenheit geraten ist: „Du hast ja ein Ziel vor den Augen, damit du in der Welt dich nicht irrst …“.

Was man von diesem Lied auch halten mag, für den Unterricht ist die Angabe des Ziels bzw. von Zielen unabdingbar. Sie darf nicht fehlen. Einfach das Lehrbuch aufschlagen und die Übungsnummer aufrufen und los geht’s, zeugt nicht von didaktisch-methodischer Stringenz. Gewiss, soll man nicht päpstlicher als der Papst sein und eine wohlabgestimmte Zielbeschreibung mit entsprechenden (fein säuberlich aufgeschriebenen) Teilzielen erwarten, aber fehlen darf sie auf keinen Fall, wie immer man sie formuliert, praktiziert, kenntlich macht.

Wie will man ohne Antizipation des jeweiligen Lernziels den Stundenerfolg messen, ohne Verständigung über das Ziel ist Unterricht nicht planbar, wobei planbar nicht verstanden wird als fremdbestimmt. Eine fremdbestimmte Zielbestimmung würde den Lernerhorizont (Vorwissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Kompetenzniveau u.a.m.) ignorieren. Eine Stundenplanung über Lernziele steht auch nicht im Widerspruch zu offenen oder weniger geplanten Unterrichtsformen.

So hat sich eine Lehrerin einen Tag in der Woche ausgesucht, an dem systematisch wiederholt wird, oder es ergibt sich eine interessante Diskussion, die gegebenenfalls nicht eingeplant worden ist, aber doch der Entwicklung der Sprechfertigkeit dienen kann. Sie sollte auf keinen Fall abgewürgt werden, auch wenn sie nicht eingeplant worden ist. Nichts wäre verkehrter, als dass der Unterricht an Ziel- und Planungsauflagen erstickt wird.